sinnlose Innovation

Keine Angst vor unsinnigen Innovationen

Oder wie man seinen Frieden macht mit Projekten ohne Sinn und Verstand.

Was hab ich mich aufgeregt! Jahrelang bin ich jedes Mal rot angelaufen wie der kleine Spanier Pepe aus Asterix, wenn irgendjemand wiedermal mit unfassbar sinnlosen Anforderungen ankam. Wir brauchen was Neues! Eine Innovation! Eine High-End-App mit Allem. Budget 5.000 Euro. Oder mit einer Idee, die vor allem irgendwelchen Super-First-Mover-Technik-Schnickschnack in den Mittelpunkt gestellt hat, ohne dass auch nur einmal über einen halbwegs sinnvollen Anwendungsfall nachgedacht wurde. Oder eine andere Art von “Innovation”, die vor allem quietscht und bunt ist.

Konfetti sagt mein Boss dazu. Und recht hat er: Man wirft es hoch, es sieht toll aus, glitzert vielleicht sogar kurz, fällt ziemlich schnell zu Boden und am nächsten Tag kommt die Putzkolonne und wischt es auf Nimmerwiedersehen weg.

Das mit dem Rot Anlaufen ist jetzt vorbei. Ich bin ziemlich Zen, seit ich die folgende innere Einstellung gefunden habe, die den – auf den ersten Blick unsinnigen – Innovationen zumindest ein bisschen Würde und Sinn verleihen. Klappt nicht immer, aber oft ist was dabei. Folgende – auf den ersten Blick nicht gleich als solche erkennbaren – Ziele kommen in Frage:

 

1. Nachmachen, damit Kunden bleiben

Situation: Das Unternehmen ist der Platzhirsch in seiner Branche. Dann kommt so eine kleine Startup-Wurst daher und entwickelt was. Man weiß noch nicht, ob daraus etwas wird. Könnte aber. Gefahr!

To Do: In diesem Fall ist es gut eine me-too-Anwendung/Produkt zu bauen, nur damit die Endkunden kein rationales Argument haben, zur Konkurrenz abzuwandern. Also ziemlich genau das Selbe. Wenig Individualität. Aus diesem Grund. Die Zielsetzung ist plausibel und das ganze Ding muss eigentlich nur abgemalt werden.

Die iWatch ist so ein Ding: Nicht das geilste, was es je von Apple gab, eher unsexy aber auch doof wenn die, die diese Art von Spielzeug wirklich gut finden, woanders kaufen würden. Und sie kam mit einigem Abstand nach den ersten Smartwatches auf den Markt.

2. Haltung bewahren

Innovationsprojekte sind Projekte, bei denen man noch nicht weiß wie sie ausgehen. Das Vertrauen in sich selbst und ins Ungewisse muss ein Unternehmen können und üben. Ständig alles zu hinterfragen und jede außerplanmäßige Bewegung schnell zu unterbinden ist dabei eher kontraproduktiv. Und wenn man als Gruppe einmal aus dem Fail Forward Feeling raus ist, kommt man so schnell nicht wieder rein. Heißt also: Kleine (ggf. auch sinnlose) Projekte erhalten die Innovationsbereitschaft.

3. In klein ausprobieren

Situation: Eigentlich müsste man, um in der Nutzergruppe wirklich Erfolg zu haben, die Sache richtig groß aufziehen. Was Geiles, Individuelles und damit oft auch Teueres ist gefragt. Das Budget ist aber alles andere als groß und wir wissen auch noch gar nicht genau ob „das Ding“ wirklich zieht.

To Do: Klein, kleiner, klitzeklein machen und erstmal gucken, was passiert. MVP heißt das. Machen schon alle. Gute Vorgehensweise.

4. Etwas lernen

Stichwort Conversational Interfaces, um gleich mal mit einem Beispiel um die Ecke zu kommen. Mir persönlich ist noch kein einziges Tool untergekommen, bei dem ich nicht innerhalb der ersten Minute wegrennen wollte. Menschliche Konversation funktioniert anders, sinnvoll ist anders. Aber wir sind alle ziemlich überzeugt davon, dass aus dieser Ecke demnächst große Sprünge zu erwarten sind. Und dann ist es gar nicht so blöd, schon mal geübt zu haben. Als Agentur und als Unternehmen. Klar: Wenn man nicht an die Technologie glaubt, wird’s echt schwer.

5. Als Manager groß rauskommen

Manchmal geht es einfach nur darum, dass man sich als Abteilungsleiter oder sogar als Abteilung intern profilieren will. Gegenüber dem Vorstand oder gegenüber dieser anderen Abteilung, die einfach nervt. Das ist eigentlich ein Super-Ziel. Emotionalität garantiert langfristige Motivation. Nachteil dieses Ziels ist, dass kaum einer drüber reden will, weil es einfach nicht so gut klingt. Dementsprechend darf es auch nicht auf einem Strategiepapier stehen. Dort stehen dann die Scheinziele und führen immer wieder zu Verwirrung, weil sie ja keine sind. Tipp hier: Einfach als Ziele anerkennen. Das befreit. Garantiert.

 

Also kurz rekapituliert: Eine Innovation muss nicht immer Schlagzeilen machen oder der neue Verkaufsschlager werden um auf Unternehmensziele – wenn auch meist eher langfristige und weiche – einzuzahlen. Manchmal geht’s halt auch einfach darum, dass man was lernt oder dass sich einer intern profilieren will.

Mir geht’s einfach nur darum, besser zu schlafen.

 

Lieber Ideen für weniger unsinnige Innovationen generieren?

 

Katja Paar

Digital Strategist, Storyteller, Visualizer, Moderator, Design Thinker, Speaker, UX Enthusiast, Workshop-Pro, Trainer, Hiker, Salsera, Head of Strategy & Design bei mediaworx (linkedIn)

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