31C3: Das Internet im Jahre 1 nach Snowden

Ein neues Zeitalter ist in der digitalen Wirklichkeit angebrochen. Der 31C3 tagte im Dezember 2014 im Congress Centrum Hamburg CCE unter dem Motto “A New Dawn”. Wir waren dabei und stellen hier die wichtigsten Erkenntnisse der legendären Konferenz vor.

Zum 31. Mal veranstaltete der Chaos Computer Club seinen Jahreskongress 31C3. Auch diesmal wurden wieder alle Besucherrekorde gebrochen. Noch vor drei Jahren zählte der Kongress 3.500 Besucher, zum 31C3 kamen über 10.000. Damit gilt der Kongress als deutschlandweit als größte Veranstaltung. Mit dem Hamburger Congress Centrum direkt unter dem Radisson Blue am Bahnhof Dammtor gelegen, ist eine Location gefunden, die eine solche Kapazität aushält.

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Hacker aus der ganzen Welt trafen hier zusammen und füllten auf mehrere Etagen sogenannte Hackspaces, in denen digital wie analog unglaubliche Dinge gebastelt wurden. Die Berliner C-Base hat eine ganze Halle besetzt. In vier Kongresssäle fanden parallel von 11:30 bis 2:00 Uhr nachts Vorträge statt. Die Vorträge haben ein ganzes Panoptikum an Themen rund um Technologie, Politik und Kultur abgedeckt: Fahrplan

Citizenfour

Im thematischen Brennpunkt standen natürlich wie das Jahr davor die Enthüllungen des Whistleblowers Edward Snowden. Mit Laura Poitras und Jacob Applebaum waren seine engsten Vertrauten von Snowden anwesend. Laura Poitras eröffnete die erste Nachtsession des Kongresses mit ihrem sehr sehenswerten Film Citizenfour, der Edward Snowden bei seinen Veröffentlichungen begleitet mit einem sehr privaten Blick hinter die Kulissen begleitet.

Das Motto “a new dawn” dieses Kongresses nimmt Bezug darauf, dass ein neues Zeitalter in der digitalen Wirklichkeit angebrochen ist. Spekulationen über Machenschaften der großen Geheimdienstorganisationen wurden vor Snowden oft als abstruse Verschwörungstheorien abgetan. Mit den Enthüllungen von Snowden haben sich selbst die fernsten Theorien als wahr herausgestellt. Der Todesstern ist schon längst fertiggestellt und voll aktiv, wir werden überwacht, ständig, fortlaufend und überall. Unsere Daten füttern die Algorithmen zur Auswertung von Meta-Daten, mit unserem Netzverhalten sind wir digitalen Profilen zugeordnet und hinterlassen Fingerprints, welche die Auswertungsalgorithmen weiter optimieren.

Reconstructing narratives

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So belegte der Talk Reconstructing narratives von Poitras und Applebaum, dass auf Grundlage dieser Metadaten Menschen gezielt getötet werden, die auf einer Liste als Targets geführt sind. Bei gleichzeitiger Veröffentlichung des Artikels Obama’s Lists: A Dubious History of Targeted Killings in Afghanistan auf spiegel.de sind diese Dokumente zur Einsicht hinterlegt. Eine Liste, die von offizieller Seite dementiert wird. Das Problem bei der Terminierung von Targets basierend auf Metadaten seien die “bleeding egdes”, so Applebaum. So geschehen und dokumentiert im Afghanistan-Krieg 2010: Eine Drohne sei los geflogen nachdem sie das Smartphone eines “Targets” lokalisiert wurde. Etwas vorschnell sei eine Bombe abgeworfen worden, was tragischer Weise den Tod eines Kindes zur Folge hatte.
Das „friendly fire“, die „bleeding edges“ gehen weiter: Auf dieser Liste tauchen Namen auf, die nichts mehr mit den Terroristen und Dschihadisten zu tun haben. Personen werden aufgeführt, die im Zusammenhang mit Drogendelikten auffällig geworden sind und der NSA ein Dorn im Auge sind. Die Todesliste eines Friedennobelpreisträgers – das Motto „a new dawn“ kann so als „neues Grauen“ verstanden werden, das von den weiterreichenden und blutigen Programme der Geheimdienste ausgeht.

SSH is insecure

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Im zweiten Teil des Talks hat Applebaum gezeigt, dass die meisten Verschlüsselungsverfahren als nicht mehr sicher gelten können. Selbst das Übertragungsprotokoll ssh wurde mit Hilfe von Datenbank-Records von Handshakes und Supercomputer geknackt Prying Eyes: Inside the NSA’s War on Internet Security. Ein geleaktes PRISM-Dokument zeigt welche Verfahren noch als sicher gelten können: OTR und GnuPG.
Auch wurde das Tor Netzwerk, an dem Applebaum mit entwickelt, wird von der NSA als „katastrophal“ eingeschätzt und kann somit als sicher gelten um sich anonym im Internet zu bewegen. Hierzu gab es noch am letzten Tag der Veranstaltung einen eigenen Talk, der zum Stand des Projekte einige Einsichten bot: State of the Onion

So können wir das Motto „a new dawn“ auch als ein neues Licht am Horizont verstehen, ein Licht, was neue Perspektive bringt. Der Kampf tobt aber weiter in der Sphäre der Kryptographie.

Florian Clauß

Florian Clauß kommt aus der Webentwicklung und arbeitet als Scrum Master bei mediaworx.

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