„Hört ihr mich schon?“ – Ideen für mehr Teamgeist in Remote-Teams

Das Internet ist voller Hinweise, wie man möglichst effizient Telefon- oder Videokonferenzen durchführt: Es muss alles super vorbereitet sein, die Technik muss laufen, man soll sich voll auf die Sache konzentrieren, es wird nicht gleichzeitig geredet und Software X ist besser als Software Y. Aber das kommt alles aus einer Zeit, in der Remote-Kommunikation im Team meist eine Ausnahme war. Mit Corona und den damit verbundenen Remote-Teams im Dauer-Homeoffice hat sich die Situation schlagartig geändert.

Wie bleibt man ein Team, wenn man sich nicht sieht?

Es geht jetzt um mehr nur als Effizienz. Die große Frage lautet: Wie bleibt man ein Team, wenn die Team-Mitglieder verstreut irgendwo in der Stadt sitzen und sich über Wochen nicht sehen? Teamgeist und Verbundenheit leiden besonders unter der räumlichen Trennung. Ein Gefühl der Entkopplung vom Team oder sogar vom Unternehmen kann sich schnell einstellen, wenn man alleine vor sich hin werkelt oder mit drei Kindern in der kleinen Stadtwohnung ganz andere Sorgen hat.

Die technischen Voraussetzungen, so gut sie auch sein mögen, kommen mit vielen Einschränkungen daher. Mal gibt es Rückkopplungen, Bild oder Ton sind instabil, die Übertragung ist auf einen Sprecher begrenzt. Das erfordert ein sehr diszipliniertes Verhalten seitens der Teilnehmer, die sich dann meist stark auf die „Sache“ beschränken. Was in einem anderen Kontext wünschenswert ist, sorgt jetzt dafür, dass ein Großteil der normalen, menschlichen Interaktion verloren geht. Und wenn man bedenkt, dass ein Großteil unserer beziehungsbildenden Kommunikation nonverbal ist, kann man sich schnell ausmalen, welche Folgen das haben kann.

Auch in Remote-Teams gelten natürlich die Standardregeln der Kommunikation. Aber was kann man darüber hinaus machen, um die mangelnde räumliche und damit menschliche Nähe wenigstens einigermaßen zu kompensieren?  Wir haben uns unter Kollegen und Kunden umgehört, mit welchen – sehr unterschiedlichen! – Strategien sie diese Herausforderung angehen und die besten Vorschläge zusammengetragen.

Die Vorschläge sind so markiert:

Innerhalb von sachbezogenen Telefon- oder VideokonferenzenIn einem separaten Remote-Treffen ohne Arbeitskontext
Zu zweitMit WenigenMit Vielen
Ohne BewegtbildMit Bewegtbild
Spaß & SpielBesser kennenlernen

 

1. Wie geht’s? Oder einfacher gesagt: Echtes Interesse

An allererster Stelle, und wahrscheinlich mit Abstand am besten geeignet, um Teamzusammenhalt im Remote-Team zu stärken, ist echtes Interesse. In Krisenzeiten, wo vielleicht ein Familienmitglied oder Freunde direkt oder indirekt betroffen sind, ist es natürlich, dass man sich zu Beginn jeder Sitzung erkundigt, wie es jedem geht. Der oder die anderen müssen dabei – vor allem in der großen Runde – nicht ausführlich antworten, eine Darlegung der privaten Situation – auch wenn sie banal ist – hilft aber allen anderen, sich gegenseitig besser zu verstehen. Der Teamleiter oder der Einladende kann dabei mit gutem Beispiel vorangehen, um das Gespräch zum Laufen zu bringen. Je nachdem wie das Team oder einzelnen Personen gestrickt sind, kann oder sollte man diesen Part auch in Eins-zu-eins-Gespräche verlegen. Hier ist Feingefühl und situatives Verhalten gefragt.

2. Kaffeemaschinen-Talk

Ähnlich verhält es sich mit Small Talk. Was wir sonst ganz ohne Anleitung an der Kaffeemaschine erledigen, braucht jetzt einen neuen Platz. Menschliche Kommunikation besteht zu großen Anteilen aus Banalitäten – und Banalitäten bilden Beziehungen. Wie war’s gestern beim Remote-Yoga? Welche Netflix-Serien passen am besten zur Situation? Deine Kinder sind so leise, wie hast du sie zum Schweigen gebracht? Wenn es nicht ganz so „small“ sein soll, kann man sich auch über Politik unterhalten, wenn man sich traut. Das kann dann aber länger dauern und sogar bei lange bekannten Kollegen zu echten Überraschungen führen. Man kann sich remote mit dem ganzen Team, mit einzelnen Personen oder mit Kleingruppen zu solchen 15 Minuten Sessions verabreden, wenn es sonst keine Gelegenheit gibt. Oder, wie im folgenden Vorschlag, einen Teil des Meetings dafür reservieren.

3. „Ich bin da!“ Konferenz-Intro

Trifft man sich mit mehreren Leuten in Telefon- oder Video-Konferenzen kann man nach der Stabilisierung der technischen Verhältnisse und dem allgemeinen Hallo mit einer Frage an alle einleiten. Die kann von ernsthaft bis spaßig gehen. Beispiele für Fragen, die die Corona-Situation miteinbeziehen, wären:

  • Wo bist du? Mit wie vielen? Vertragt ihr Euch?
  • Was war dein schönstes/absurdestes Erlebnis im Supermarkt?
  • Hast du Hosen an, während du in Telkos mit Kunden redest 😊 ?
  • Wieviel Klopapier hast du zuhause?
  • Gibt es etwas, das an dieser Situation besser ist als vorher?

Die Mitglieder des Remote-Teams können sich dabei den virtuellen Ball zuspielen. So ist sichergestellt, dass auch Leute drankommen, die im Normalfall wenig sagen.

4.Uncasual Friday

Home-Office – oder mit anderen Worten: Verwahrlosung mit Ansage. Ist aber auch so gemütlich!
Da man sich im Team untereinander kennt und meist kein DAX-100-Vorstand anwesend ist, werden wir wohl auch in nächster Zeit die Kollegen in Video-Konferenzen nur in Lounge-Wear sehen. Und alles andere wäre ja auch unnötig. Wie wäre es hier mit etwas Abwechslung und Motto-Meetings? Zum Beispiel:

  • Die Kinder haben mich geschminkt
  • Bad-Hair-Day
  • Das Shirt, das im Schrank ganz unten lag
  • Fancy Sonnenbrillen oder “Wo kommt blos dieser Hut her?”
  • Muster-Pyjamas der 80er und 90er
Autor nicht bekannt

5. Wake-up Call

Interessant fanden wir auch diesen Vorschlag: Einer unserer Kunden macht mit seinem 10-köpfigen Team “Wake-up Calls”, die nichts mit Arbeit zu tun haben. Dabei sucht jemand aus dem Team ein ca. 10-15 minütiges Exercise-Video auf Youtube aus und alle machen mit. Exercise? Echt jetzt? Wenn jeder im Team an einem Morgen der Woche dran ist, kann das ziemlich abwechslungsreich werden.

  • Meditation
  • Rückengymnastik
  • Tai-Chi
  • Origami
  • Figuren Zeichnen
  • Bollywood-Dance …

Alles ist möglich, was ohne (aufwändige) zusätzliche Mittel zuhause gemacht werden kann. Und vielleicht findet man ja sogar ein neues Hobby.

6. Play!

Wir haben neulich im Team-Meeting einfach Montagsmaler mit der Online-App Skribblio (https://skribbl.io/) gespielt. Großartig! Eltern können dabei sogar die Kinder dazu holen. In diesem speziellen Fall kann der Spielleiter eigene Worte eingeben (die von den anderen dann gemalt werden könne) und die Zeit festlegen. Damit keine Mitspieler von außen dazu kommen, erstellt man am besten einen “Private room”. Bei Kahoot (https://kahoot.com/) kann man nach Anmeldung ein Quiz für bis zu zehn Leute gratis erstellen. Das benötigt ein bisschen Vorbereitung, kann dann aber auch sehr spaßig werden. Darüber hinaus eignen sich natürlich viele weitere Online-Spiele, die man mit  begrenzten Remote-Teams spielen kann. Von Doppelkopf (http://isar-interactive.de/doppelkopf.html) wurde zum Beispiel nur Gutes berichtet. Viele klassische Brettspiele gibt es zum Beispiel bei Boardgame Arena (https://boardgamearena.com).

7. Remote-Afterwork-Party

Gänzlich ohne Arbeitskontext kommt man auch bei einer Remote-Afterwork-Party aus bei der man sich Abends einfach zum Quatschen und Trinken trifft. Teilnahme ist dabei natürlich freiwillig. Die Teilnehmer können zeigen, was sie noch so zu Hause machen, sich einfach ein bisschen unterhalten oder vielleicht sogar zusammen Musik machen. Wie in der Büroküche eben.

8. Vielsagende Blicke

Was wären Meetings ohne sie? Macht der Kollege wiedermal seinen Lieblingsversprecher? Kommt das zum hundertsten Mal durchgekaute Thema schon wieder an den Tag? Wo man im Normalfall vielsagend auf die Seite zum Lieblingskollegen guckt, kann man in Telkos mit den Augen rollen wie man will: Keiner sieht es. Manche Konferenzsysteme haben extra dafür eine Chat-Funktion. Mit der kann man schnell mal Gorilla-Icons verschicken, wenn einer mal wieder besonders dick aufträgt. Aber Achtung: Die Nachricht sollte nicht an alle gehen! (-;

9. Remote Bullshit Bingo

Die Regeln sind bekannt, oder? Wer zuerst eine Reihe hat (hoch, quer oder diagonal) schreit laut “Bingo” und hat gewonnen :-). Hier zum Download:

Remote Bullshit Bingo

10. Show and Tell

Noch einfacher lässt sich jede Konversation mit Bildern in Schwung bringen. Man kann zwischen unterschiedlichen Vorgehensweisen wählen. Dazu postet jeder Teilnehmende ein Bild auf eine gemeinsame Plattform (Wiki, Kollaborationstool, Online-Whiteboard). Das Bild kann zu einem bestimmten Thema gewählt werden.

  • Wie sieht dein Arbeitsplatz aus?
  • Was siehst du, wenn du aus deinem Fenster guckst?
  • Ein wichtiges Bild aus deiner Jugend/ Kindheit/ deinem Leben
  • Dein Lieblingsgegenstand im Raum
  • Eine Assoziation zum Thema der gerade stattfindenden Konferenz

Zu Beginn des Gesprächs erzählt jeder kurz etwas zu seinem Bild. Das Spiel kann dadurch erweitert werden, dass die Teilnehmenden zunächst raten, von wem welches Bild stammt. Dazu notieren alle die Namen des potenziellen Bildinhabers neben das Bild.

11. Zwei Wahrheiten, eine Lüge

Dieses bekannte Spiel lässt sich auch in Telefonkonferenzen, idealerweise begleitet durch eine gemeinsame Plattform (Wiki, Kollaborationstool, Online-Whiteboard) sehr gut spielen. Es ist eine sehr gute Einleitung zu Sitzungen, bei denen kreatives Denken gefragt ist. Nebenbei hilft es dabei, das Team besser kennenzulernen.
Am besten ist, wenn alle Teilnehmenden vor dem Meeting je zwei Wahrheiten und eine Lüge über sich posten. Jeder TN bekommt drei Tabellenzeilen dafür. Im zweiten Schritt markieren die Teilnehmer die Aussage, die sie für die Lüge halten, bei jedem. Im Anschluss wird aufgelöst. Wer will, kann Punkte vergeben und zählen. Die Aussagen können allgemeiner Natur sein oder sich auf ein bestimmtes Thema beziehen. Zum Beispiel:

Zwei Wahrheiten und eine Lüge …

  • … über deine Hamsterkäufe
  • … über deinen Home-Office-Dresscode
  • … über Gegenstände auf deinem aktuellen Schreibtisch
  • … darüber, wie du zu deinem Beruf gekommen bist
  • … über deine morgendlichen Rituale

12. Status Update

Wenn man zum zehnten Mal die Kollegen vor der kahlen Wand oder vor der Hausbibliothek gesehen hat, kann ein Update erfrischend sein. Jeder überlegt sich dazu, wie es ihr oder ihm gerade geht, macht daraus drei Symbole, malt sie mit einem Marker auf je ein Blatt und hängt sie hinter sich auf. Zu Beginn des Video-Meetings kann dann von jedem kurz erläutert werden, was die Symbole bedeuten oder die restliche Truppe ist dazu verdammt, zu rätseln, was der Strich die sieben Punkten mit der Sprechblase bei Johanna eigentlich meinen. Vielleicht ergeben sich dadurch ja auch neugierigen Anrufe? Wäre jedenfalls wünschenswert.

Und jetzt?

Was davon das Richtige für dein Team ist, musst du selbst entscheiden. Am besten ist natürlich die Individualisierung: Denk drüber nach, wie ihr euch unterhaltet und was für ein gutes Teamgefühl sorgt, wenn keine räumliche Trennung besteht. Dann versuche, diese Strategien ins Digitale zu übersetzen.
Wir haben unsere Teams übrigens auch gefragt, wie es ihnen im Homeoffice geht und die allermeisten können dieser Art von Arbeit sehr viel Positives abgewinnen. Das geht von “mehr Effizienz”, weil man sich auf den eigenen Biorhythmus einstellen kann bis hin zu “weniger Gewissensbisse”, weil man die Kinder in der Nähe hat.

So werden die Corona-Wochen zum globalen Experiment. Ich bin gespannt, was davon bleiben wird und was nicht. Wir können viel daraus lernen.

 

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Katja Paar

Digital Strategist, Storyteller, Visualizer, Moderator, Design Thinker, Speaker, UX Enthusiast, Workshop-Pro, Trainer, Hiker, Salsera, Head of Strategy & Design bei mediaworx (linkedIn)

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