Segmentierung ist eines der wichtigsten Hilfsmittel in der Web-Analyse, um seine Website-Besucher und Kunden besser zu verstehen. Unser Praxisbeispiel zeigt, wie man einfach segmentiert und was man dadurch gewinnt.
Was ist Segmentierung?
Als Segmentierung bezeichnet man in der Web-Analyse die Möglichkeit, die gesammelten Web-Analyse-Daten nach bestimmten Kriterien wie z.B. Nutzereigenschaften, Marketing-Kanälen oder Verhaltensmerkmalen zu filtern. Dadurch kann man die Daten genauer untersuchen und erkennt Muster, Auffälligkeiten und Chancen zur Optimierung seines Web-Auftritts.
Dennoch wird dieses mächtige Analyse-Feature oftmals nicht oder nur rudimentär genutzt, vielleicht auch wegen des etwas ausladenden Begriffs “Segmentierung” (verständlicher wäre meiner Meinung nach etwas wie “Teilmengen-Untersuchung” oder “Analyse von Besucherdaten-Ausschnitten”). Die Folgen: Fehlgeleitete Entscheidungen auf Basis verzerrter Durchschnittswerte. Web-Analyse-Guru Avinash Kaushik fordert dringend dazu auf, die Daten IMMER zu segmentieren, oder wie Kaushik es formuliert: “Segment or Die!”. Wer Web-Analyse ohne Segmentierung betreibt, lässt sich irreführen. Im schlimmsten Fall werden Chancen oder gar Alarmsignale zu spät erkannt, da diese im allgemeinen, unsegmentierten Datenstrom schlicht nicht erkennbar sind. Wer Web-Analyse ernst nimmt, segmentiert die Daten. Doch wie geht das? Ganz einfach…
Segmentierung am Beispiel: So erkennt man interessierte Besucher
Im Prinzip ist fast jeder Report in einem Web-Analyse-Tool (z.B. Wiederkehrende Besucher, Trennung nach Kanal) eine Segmentierung der Daten. Wichtig ist es jedoch, noch tiefer zu segmentieren, da diese Standard-Segmentierungen oft noch zu grob für belastbare Aussagen sind. Eine einfache und aufschlussreiche Segmentierung nach Interesse stellen wir hier am Beispiel vor.
Was sind interessierte Besucher?
Ein wichtiges Kundensegment für fast jede Website, egal ob Corporate Website, Blog oder Online-Shop, sind Besucher der Website, die sich stärker mit dem Angebot und dessen Inhalten beschäftigen. In nahezu jedem Web-Projekt kann man feststellen, dass nur ein Teil der gesamten Besucherbasis erhöhtes Interesse daran zeigt, das Angebot wahrzunehmen. Segmentierung ist darum dringend notwendig, insbesondere auch um das heutige Surf-Verhalten adäquat zu berücksichtigen. Viele Besucher rufen eine Website nämlich nur testweise kurz auf und sind dann innerhalb von wenigen Sekunden wieder weg, falls ihnen nicht gefällt was sie sehen.
Trennen wir also die Spreu vom Weizen und segmentieren am Beispiel eines Projekts, einer Informations-Website im Bereich Kinder/Mode anhand der durchschnittlichen Aufenthaltsdauer der Besucher:
Erkenntnisse durch die Segmentierung
Die Aufenthaltsdauer eines Besuchs ist ein einfaches und für den Anfang gut nutzbares Kriterium, nach dem man seine Besucher segmentieren kann. So kann man annehmen, dass ein Besucher, der mindestens 30 Sekunden auf der Seite bleibt, ein konkreteres Interesse am Angebot hat und sein Ersteindruck der Website zwischen neutral oder positiv liegt.
Man erkennt dabei deutliche Unterschiede zwischen dem Durchschnitt (blau) und den Interessierten (orange, Aufenthaltsdauer > 30 sec).
- Die Anzahl der interessierten Nutzer beträgt 40% aller Nutzer
- Interessierte Nutzer bleiben 4:40 min (statt nur 1:45 min im Durchschnitt)
- Interessierte Nutzer sehen in dieser Zeit 6 Seiten an, lesen also knapp eine Minute pro Seite
Es lassen sich jedoch noch tiefere Erkenntnisse aus der Segmentierung ziehen. Hierfür verlässt man mal die allgemeine Nutzungsebene wie Aufenthaltsdauer und Seiten pro Besuch und sieht sich die Nutzung der Inhalte oder Kanäle genauer an, indem man in seinem Web-Analyse-Tool nur das gewählte Segment betrachtet (Segment “Alle Besucher” deaktivieren). Dadurch sind tiefere Erkenntnisse möglich, wie z.B. die folgenden:
- Wo steigen interessierte Nutzer ein, wo steigen sie aus?
- Welche konkreten Seiten oder Bereiche sehen diese an?
- Welche Kanäle bringen die meisten interessierten Besucher?
Die Herausforderung liegt nun erstmal in der Entscheidung, wie man das Segment “Interessierte Nutzer” festlegt (“operationalisiert”). So richtet man die Segmentierung konkret am Beispiel der verbreitetsten Web-Analyse-Lösung Google Analytics ein:
Segmentierung interessierter Nutzer mit Google Analytics
Bei Google Analytics findet man die frei definierbaren, benutzerdefinierten Segmente (“custom segments”) hinter dem kleinen Pfeil oberhalb der Daten-Charts + Neues Segment erstellen. Um das Segment einzurichten, stellt man im Bereich Bedingungen eine Aufenthaltsdauer > 30 sec. ein. Bei Google Analytics kann man sich das Segment on-the-fly einrichten und sofort für alle zurückliegenden Daten (“historische Daten”) nutzen.
Ein “Interesse-Segment” kann man in nahezu jedem Web-Analyse-Tool leicht selbst einrichten oder aus den Standard-Segmenten auswählen (etracker: Einstellungen > Segmentierung > Neues Segment > z.B. “Sticky”). Jedoch kann nicht jede Lösung eine Live-Segmentierung der historischen Daten durchführen. Bei etracker kann man z.B. erst ab Einrichtung eines Segments damit segmentieren, also sollte der Web-Analyst hier frühzeitig aktiv werden und seine Segmente festlegen.
So erkennt man interessierte Nutzer auf Basis von Metriken
Selbstverständlich sind zum Erkennen der Interessenten mittels Segment viele weitere Kriterien oder Kriterienkombinationen möglich, die passend und belastbar wären. Hier einige Möglichkeiten, wie man interessierte Nutzer erkennen kann:
- Aufenthaltsdauer > 60 sec
- Besuche ohne Bounce
- Besuchte Seiten > 2
- Wiederkehrer
- Wiederkehrer + Aufenthaltsdauer > 30 sec
- Besucher, die eine bestimmte Seite gesehen haben
- Besucher, die ein Video angesehen haben
- Besucher, die sich schonmal eingeloggt haben (erkenntbar über User Tagging/Custom Var)
- zahlreiche weitere Kriterien
Man sieht: Die Möglichkeiten, wie man seine interessierten Besucher definiert sind zahlreich. Es empfiehlt sich, einige Kombinationen mal auszuprobieren, dabei zu notieren wieviel Prozent dies jeweils ausmacht und die segmentierten Daten auf allen Berichtsseite des Webanalyse-Tools zu betrachten. Letztlich sollte man sich dann für eine Möglichkeit entscheiden, bei der man ein gutes Gefühl und stichhaltige Argumente hat, für sein Projekt die passende Zielgruppe gut zu erkennen. Und wer ein regelmäßiges Reporting oder Detail-Analyse seiner Besuchsdaten durchführt, sollte dabei seine Segmentdefinition festhalten, z.B. als Fußnote im Report/Analyse-Bericht, um Zahlen später immer wieder nachvollziehen zu können.
Was könnt ihr von interessierten Nutzern lernen?
Die erstmalige Segmentierung der eigenen Besucherdaten löst meist einen kleinen Schock aus: Nur so wenige Nutzer habe ich wirklich? Dies sollte man als Augenöffner begreifen anstatt wegzuleugnen. Denn bleibt man beim gewohnten Blick auf unsegmentierte Durchschnittswerte, bleibt auch jede Optimierung des Angebots scheinbar ohne sichtbaren Effekt, was viel demotivierender sein kann. 40-60% uninteressierte Nutzer auf einer Website reißen durch ihre kurze Aufenthaltsdauer eben jede andere Qualitätsmaßnahme statistisch nach unten. Doch das war nur die Vorwarnung, bevor ihr eure eigenen Daten analysiert. Wie lernt man nun am besten daraus?
Die Zielgruppe verstehen… und handeln!
Erklärtes Ziel für viele Projekte sollte im ersten Schritt sein, interessierte Besucher überhaupt erstmal zu erkennen/messen und dann kontinuierlich durch Optimierung des Angebots besser auf diese einzugehen, wie dies auch Amazon und weitere Größen im Internet machen. Jeder Blick in die Analytics-Daten sollte also darauf hinausführen, wie ihr euer Angebot weiter verbessern könnt. Dabei ist hilfreich, sich ein konkretes Optimierungs-Ziel zu setzen, z.B. “Verbesserung des Ersteindrucks der Landingpage X” (Zielgruppe: Nicht-interessierte Nutzer) oder “Verbesserung der Textqualität” (Zielgruppe: Interessierte Nutzer). Wer die Erwartungen der Zielgruppe für das gesteckte Ziel erfüllt oder zumindest aufnehmen kann, erreicht das Ziel.
Oftmals ist bei der Optimierung nicht alleine die Optik entscheidend, auch wenn dies oftmals als Allheilmittel angesehen wird. Vielmehr wirkt hier stark der Faktor Relevanz, also: für wie wichtig empfinde ich die dargestellten Informationen? Durch gezielte Conversion-Optimierung lassen sich auch weitere Faktoren wie Vertrauenswürdigkeit oder der momentan gerne eingesetzte Dringlichkeits-Ansatz (“Nur noch diese Woche gibts den 10€-Rabatt?”) einsetzen und verbessern. Als Ausgangskennzahl für die Optimierung kommt dann meist die Conversion Rate ins Spiel, die den Erfolg von Verbesserungsmaßnahmen erfassen kann.
Die Web-Analyse von interessierten und insbesondere auch von nicht-interessierten Besuchern hilft also zum einen, die Zielgruppe und ihr Verhalten auf eurem Angebot (welche Inhalte werden gesehen? Wie wird interagiert?) besser zu verstehen und darauf einzugehen. Von Durchschnittsbesuchern hingegen kann man nicht viel lernen. Am besten lernt man jedoch durch eine wiederholte Feedback-Schleife bei der Daueroptimierung. Also: Messen, analysieren, optimieren, messen …
Fazit
Ein einfacher Blick auf unsegmentierte Durchschnittswerte reicht nicht aus, um fundierte Entscheidungen zu treffen. Die Identifikation interessierter Nutzer stellt einen einfachen und leicht durchführbaren Weg dar, um Web-Analyse durch Segmentierung professioneller zu nutzen. Man bekommt durch Segmentierung genauere und tiefere Erkenntnisse darüber, welche Inhalte für seine Zielgruppe wirklich interessant sind.
Mehr erfahren
- GAnalytics-Blog: Erweiterte Segmente bei Google Analytics – Guter Überblick
- Google+-Profil von Avinash Kaushik – Erfrischende Informationsquelle